Das Poster von Dirk Nowitzki über dem Bett, im Lahm-Trikot in die Schule, Nico Rosbergs Formel-1-Auto als Spielzeugmodell auf dem Nachttisch – Profisportler sind die größten Helden von Kindern und Jugendlichen. Doch leider regen die Höchstleistungen der Idole kaum zum Nachahmen an. Die meisten Youngster sitzen in ihrer Freizeit lieber träge vor Computer oder Fernseher, Chips und Schokolade in greifbarer Nähe. Ihre Muskeln beanspruchen sie dabei wie Seehundbabys beim Sonnen: so gut wie gar nicht.
Auch in den Schulen kommen die Kinder nicht mehr in Bewegung:
Sportstunden sind auf ein Minimum reduziert worden.
Von den ursprünglich im Lehrplan enthaltenen Sportstunden
sind meist gerade mal zwei übrig geblieben. Und wer im Sport die Note sechs im Jahreszeugnis bekommt, hat das Klassenziel trotzdem erreicht.
Dabei hätten viele Kinder mehr Bewegung dringend nötig.
Eine Studie der Universität Karlsruhe ermittelte, dass viele Kinder keinen Purzelbaum mehr schlagen, nicht mehr Rückwärtslaufen oder sich nicht per Felgaufschwung aufs Reck hieven können.
Mehr als jeder dritte Viertklässler leidet unter Kopf- und Rückenschmerzen.
Die Hälfte der 11- bis 14-Jährigen weist bereits Haltungsschwächen auf. Und das, obwohl Kinder eigentlich zur gesündesten Bevölkerungsgruppe in unserer Gesellschaft zählen, denn ihre Körper sind noch nicht durch jahrelanges Rauchen oder fette, ungesunde Ernährung geschädigt.
Die fatalen Folgen des Bewegungsmangels hat der im Jahr 2007 veröffentlichte Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KIGGS) des Robert-Koch-Instituts – die europaweit bislang größte Untersuchung zu diesem Thema – gezeigt. Wissenschaftler beobachteten drei Jahre lang fast 18 000 Kinder, vom Säugling bis zum Teenager. Die alarmierende Erkenntnis der Forscher: Nahezu zwei Millionen deutsche Kinder sind heute übergewichtig. Das sind 50 Prozent mehr als in den neunziger Jahren. Der Anteil der krankhaft fettleibigen Kinder hat sich sogar verdreifacht, Tendenz weiter steigend.
Wenn Kinder vorwiegend sitzend oder liegend aufwachsen, anstatt draußen herumzutollen und gelegentlich auch mal ins Schwitzen zu kommen, ist dies nicht nur ein kosmetisches Problem. Bewegungsmangel bei Kindern kann die Wahrnehmungsfähigkeit, den Gleichgewichtssinn und die intellektuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
Mit diesem Buch wollen wir Ihnen zwei Kernbotschaften vermitteln. Die erste: Die frühesten Jahre im Leben eines Menschen gehören zu den wichtigsten überhaupt. Denn in der Kindheit werden im Hinblick auf die Gesundheitschancen im weiteren Leben die Weichen gestellt. In Bezug auf Sport und Bewegung bedeutet das: Wer als Kind aktiv ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch als Erwachsener Sport treiben. Deshalb tragen Sie als Eltern auch eine enorme Verantwortung. Denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nur noch sehr schwer – auf das Bewegungsverhalten von Kindern zumindest trifft dies hundertprozentig zu.
Die zweite wichtige Botschaft ist, dass es vor allem die Alltagsaktivitäten sind, die Sie bei Ihren Kindern fördern sollten.
Natürlich ist es großartig, wenn Kinder in Sportvereinen aktiv sind. Mit Gleichaltrigen in einer Mannschaft Fußball oder Handball zu spielen, um Tore zu kämpfen, nach Siegen zu jubeln und sich nach Niederlagen gemeinsam wieder aufzurichten, das alles fördert Teamgeist, Sozialverhalten und Selbstbewusstsein. Zusätzlich aber muss Bewegung selbstverständlicher Bestandteil des normalen Tagesablaufs sein.
Es ist höchste Zeit, dass sich etwas tut. Den größten Einfluss haben Eltern als wichtigste Bezugspersonen vom Säuglings- bis zum Teenageralter – also Sie! Positive, gesundheitsfördernde Maßnahmen, die Sie vorleben, ahmen Ihre Kinder nach und übernehmen sie unbewusst oder bewusst. Sie haben es also in der Hand, dass sich Ihre Kinder zu fröhlichen, gesunden, aktiven Menschen entwickeln. Und nicht nur das. Wie Sie bei der Lektüre erkennen werden, profitieren Kinder auf vielfältige Weise von der Bewegung, auch in vielen anderen Bereichen des Lebens.
Wie mächtig der Einfluss von Sport ist, bringt einer der bedeutendsten Sportmediziner, der Kölner Wissenschaftler Wildor Hollmann, auf den Punkt: »Gäbe es ein Medikament, welches sich derart positiv auf unseren Körper, unsere Psyche und unser Wohlbefinden auswirkt – mit welchen Worten würde ein solches Präparat angepriesen werden? Vermutlich käme ihm die Bezeichnung ›Medikament des Jahrhunderts‹ zu. «Tatsächlich hat keine Pille der Welt eine so mächtige und segensreiche Wirkung auf unseren Körper wie Bewegung – und zwar völlig ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Die positiven Effekte von Sport und Fitness sind heute vielfach belegt: Das Herz benötigt weniger Sauerstoff, es schlägt ökonomischer und gleichmäßiger.
Die Fließeigenschaften des Blutes verbessern sich, der Blutdruck sinkt. Die Gefahr, dass Gefäße verstopfen und Knochen brüchig werden, sinkt enorm. Sport schützt vor Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ II, Schlaganfall, Osteoporose und der Volkskrankheit Nummer eins, der koronaren Herzkrankheit.
Und keine andere Therapie ist derart kostengünstig und einfach – und bringt zudem so viel Spaß.
Doch nicht nur der Körper, auch Gehirn und Geist profitieren.
Wer regelmäßig turnt, joggt, Tennis spielt oder auf Berge klettert, ist geistig fitter und fröhlicher. Sportlich aktive Kinder besitzen ein größeres Selbstbewusstsein und höhere soziale Kompetenz, da sie mehr Freunde haben, besser in der Schule sind und weniger Unfälle erleiden. Sportliche Kinder sind stressresistenter, hilfsbereiter, und sie fühlen sich insgesamt einfach wohler.
Mit diesem Buch haben Sie einen »familiären Aktionsplan« in der Hand, mit dem Sie Ihr Kind dazu bringen, von sich aus den Spaß an Sport und Aktivität zu entdecken. Dabei geht es, wie gesagt, nicht darum, dass Sie Ihr Kind möglichst in eine Sportskanone verwandeln sollen. Wenn Ihr Kleiner einmal MarathonWeltmeister wird oder Ihre Tochter eine gefeierte Stabhochspringerin – super, bestens, Gratulation! Entscheidend für eine gesunde, normale Entwicklung sind jedoch die Alltagsaktivitäten.
Also: Lassen Sie Ihre Kinder im Matsch spielen, durch Pfützen hüpfen, auf Bäume klettern, über Balken balancieren, auf Stühlen wippen und kippeln oder Klettergerüste erklimmen, so oft es nur geht. Denn all dies ist nicht Mittel zum einzigen Zweck, Vätern und Müttern den letzten Nerv zu rauben – sondern Ausdruck des natürlichen und lebenswichtigen Bewegungsdranges eines Heranwachsenden.
Fördern und unterstützen Sie dieses lebenswichtige Bedürfnis Ihrer Kinder. Bewegung soll ein natürlicher Teil im Leben Ihres Kindes werden – und so selbstverständlich wie das tägliche Zähneputzen oder das Erlernen einer Fremdsprache.
In diesem Buch erfahren Sie, auf welch vielfältige Weise Ihr Kind körperlich und geistig von Aktivität profitiert. Sie finden wissenschaftlich fundierte und leicht umsetzbare Antworten auf grundlegende Fragen, zum Beispiel, ob Ihr Wonneproppen momentan einfach nur ein bisschen pummelig ist oder ob Ihr Kind schon als übergewichtig eingestuft werden muss. Einfache Tests, die Sie zu Hause durchführen können, verraten Ihnen, wie es um die Fitness Ihres Sohnes oder Ihrer Tochter bestellt ist. Mithilfe dieses Stärken- und Schwächenprofils wird es Ihnen viel leichter fallen, Begabungen zu erkennen und zu fördern – und gegebenenfalls Schwächen zu korrigieren. Simple, aber effektive Motivations-Tipps helfen Ihnen dabei, Ihr Kind in Bewegung zu bringen.
Und letztendlich erfahren Sie, warum auch Ihr Einsatz gefragt ist.
Denn nur, wenn Sie selbst körperlich aktiv sind und damit ein gutes Vorbild darstellen, startet Ihr Kind gesund und dynamisch ins Leben.
Helfen Sie Ihrem Kind, die Freude an der Bewegung zu bewahren oder (wieder) zu entdecken! Viel Spaß dabei!